Letzten Samstag war es soweit, wir packten endlich unser Weihnachtsgeschenk aus. Als ein Höhepunkt des noch jungen Jahres stand der schon lange geplante Besuch im
La Vie in Osnabrück im Kalender. Um dem ganzen noch die Krone aufzusetzen hatten wir uns auf Grund der Wetterlage entschieden, an diesem Abend den
angebotenen Shuttle-Service in Anspruch zu nehmen. So wurden wir nach einem kurzen Trip im überfüllten Wochenendzug von einer edel Limousine am Osnabrücker Bahnhof in Empfang genommen. Auch wenn unsere bisherigen Restaurantbesuche sich nicht nur auf Frittenbuden beschränkt haben war doch nach der Ankunft im
La Vie
klar, dass wir Drei-Sterne-Niveau noch nicht erlebt hatten. Nachdem man
uns formvollendet die Jacken abgenommen hatte wurden wir an unseren
Tisch geführt.
Vermutlich übertreibe ich nicht, wenn ich behaupte, dass sich den ganzen Abend mindestens drei Kellner gleichzeitig in diesem Raum aufhielten um für das Wohl der Gäste zu sorgen. Als ich es wagen wollte meinen Sessel selbst vom Tisch wegzuziehen (natürlich saßen wir nicht auf profanen Stühlen!), um mich zu setzen, schaffte einer dieser netten Herren es noch, nach zwei schnellen Schritten (und mit leicht entsetztem Gesicht) mir diese unwürdige Arbeit abzunehmen. Hatte man sich zum Austreten kurz vom Tisch entfernt, war bei der Rückkehr stets die Serviette kunstvoll frisch gefaltet und die Kissen neu zurecht gerückt worden. Für die Damen wurden außerdem Handtaschenhalter neben den Sesseln platziert. Eine Art Gestell mit einem Halter oben für den Taschenriemen und unten einer kleinen Plattform, damit die Designer-Täschchen nicht auf dem schönen Echtholzboden aufliegen.
Aber kommen wir nun zum Essenziellen!
Angeboten wurden zwei Menüs, es galt also eine Auswahl zu treffen zwischen
Tradition & Qualité und
Le Grand Chef. Wir entschieden uns beide für das "kleine" traditionelle 5-Gänge-Menü und ließen den Chef Chef sein. Wie wir später merkten
zum Glück, denn zu den fünf auf der Karte genannten Gängen kamen noch fünf kunstvolle Grüße aus der Küche hinzu und sehr leckeres Brot in dreierlei Sorten so viel man wollte! Das Ergebnis war, dass uns der zum Ende dargebrachte Pralinenwagen wie das Pfefferminzblättchen aus Monty Pythons Sinn des Lebens erschien. Zum Glück haben wir aber auch den Genuß dieser außergewöhnlichen Kreationen unbeschadet überstanden.
Während des Essens Notizen zu machen hätte uns wohl den schönen, entspannten Abend gekostet und so haben wir uns auf das verschämte Fotografieren der unglaublichen Speisen beschränkt. Leider war es uns -trotz Beschreibung eines jeden Happen durch die Kellner- nicht möglich, sich bei allem genau zu merken, was es war. Man möge uns also die mitunter dilettantischen Benennungsversuche nachsehen.
# 01 Amuse-Gueule
Auf dem Teller zu sehen ist auf 3 Uhr ein "Tintenfischkrakenarm"scheibchen (mit Saugnapf) auf 6 Uhr eine Gänseleberpastete mit Cola-Gelee überzogen, auf 9 Uhr ein Röllchen mit Avocado und Splittern von getrockneter Tomate und auf 12 Uhr -wenn wir uns richtig erinnern- ein Sepiamousse. In den kleinen Becherchen befand sich eine Auster in Ich-weiß-nicht-mehr-was-Gelee und Daran-kann-ich-mich aber-gar-nicht-mehr-erinnern mit einem Algenblatt. Von all diesen Dingen gab' es freilich nur diesen einen Happen, so dass ein wiederholtes Nachschmecken schlicht nicht möglich war.
Danach kam das Brot mit separatem Butter-Taler, dazu frisch geschroteter Pfeffer, Fleur de Sel und fruchtiges Olivenöl. Die Ölkaraffe haben wir erstmal skeptisch beäugt, wie geht denn das? Ahso, da ist ne Pipette dran. Ja ne, is klar.
# 02 Amuse-Gueule
Der zweite Gang nahte und auf unseren Gesichtern erschienen weitere Fragezeichen. Was ist das alles? In dem Becherchen war sicher ein pochiertes Wachtelei in -vermutlich- (Tinten?)Fischsud. Ebenfalls leicht zu identifizieren: zwei Schinkenröllchen, hellgrün der Spitzkohl und ein weiteres halbes Wachtelei. Der Rest? Wir erinnern uns an Sepiacreme, und weitere "Tintenfischkrakenarm"scheibchen, natürlich wieder mit Saugnapf.
Diese zwei Vorspeisenplatten hatten uns schon etwas eingeschüchtert und noch nicht richtig begeistern können. Als nächstes kam aber der erste auf der Karte erwähnte Gang, bei dessen Genuss wir zumindest immer wieder einen Blick in die Karte werfen konnten um zuzuordnen, was wir da eigentlich essen.
# 1. Gang - Salat
Junger Lauch als Salat
Der Lauch war geschwungen über den Teller drappiert, von Calamari-Nestern flankiert, von hauchdünnen Rettichscheiben umschmeichelt und an ein Schachbrett aus Nashi Birne und Calamari geschmiegt. Darüber waren Cashew-Kerne verteilt und -wenn wir uns richtig erinnern- schwarzer Sesam als irgendwie Paste. Ja, das war echt richtig besonders und auch echt richtig lecker.
# 2. Gang - Vorspeise
Langoustine mit Rauch
grüne Tomate & Ricotta, Bulgur
Zusätzlich war es uns noch möglich, Mini-Zucchini, Gurke und Romanesco als Mitspieler zu identifizieren. Interessanterweise war auf dem Teller auch der Teil der Tomate drappiert, den manch einer üblicherweise wegwirft: Die noch zusammenhängenden, herausgelösten Kerne und diese nicht nur in rot und grün sondern -wohl von irgendeinem Tomatenexoten- auch in blau-grau. So es überhaupt möglich ist war diese Speise noch leckerer, als die zuvor gekostete.
# 3. Gang - Fisch
Rochenflügel & Nigiri von Abalone
Aloe Vera, Yuzu, Sellerie
Nicht alle Zutaten dieser Kreation konnten wir exakt zuordnen und benennen. Das Nigiri von Abalone ist jedoch der kleine Dötz oben rechts, der Sellerie -in Form eines delikaten Pürees- ist oben links. Das Schwarze sind Pilze. Aus lauter Begeisterung habe ich nach dem Rezept für das Püree gefragt und -tadaaa- sogar Antwort aus der Küche erhalten: Sellerie vakuum-verpackt garen und mit
Nußbutter pürieren. Ja, so einfach kann Sterne-Küche sein.
Rochen hatten wir noch nie probiert und werden dies wohl aus gutem Grund auch nicht wieder tun. Viele Rochenarten sind vom Aussterben bedroht. Ja, es war lecker, es bleibt aber ein bitterer Beigeschmack, auf den wir beim Selbstkochen stets gerne verzichten.
# 3 Amuse-Gueule
Das Rezept für diesen
Kartoffelschaum auf Kürbis-Chili-Eis müsste ich ansich auch noch erfahren, denn es hat den interessanten Effekt, dass Rebekka verzückt die Augen verdreht, schnurrt wie eine Katze und anschließend nur noch grenzdebil vor sich hinlächelt. Dieser kleine Zwischengang war schlicht und ergreifend: perfekt.
# 4. Gang - Fleisch
Ribeye vom US-Rind
Rindermark geräuchert, Pilzerde & Topinambur
Ins Sterne-Restaurant gehen, fünf mal den Fleischgang mit perfekt gebratenem Steak und den passenden Rotwein dazu bestellen? Ja, damit könnte ich mich anfreunden. Rebekka nicht, die war schon so satt dass sie mir gerne Teile des Steaks abgetreten hat.
Als die Kellner die ratzputz leer gegessenen Teller abräumten sagte der eine, er müsse uns wohl nicht fragen, ob es geschmeckt hätte, die leeren Teller sprächen ja für sich. Mein liebes Weib, heimlich und unheimlich Fan von flachen Kalauern erwiderte hocherfreut:
Ach, daran erkennt man ein Drei-Sterne-Lokal also auch, die haben da sprechende Teller...
Der Hauptgang war verspeist, das Licht wurde herunter gedimmt und auf den Tischen Kerzen entzündet.
# 4 Amuse-Gueule
Das
Shiso-Eis mit Cranberries und Hibiskussauce (sowie einem undefinierbaren Gekringel oben drauf, ich vermute aus Roter Bete) war mein Favorit nicht, Rebekka hingegen war mal wieder verzückt. Klar, war ja auch eine Art Dessert-Vorspeise.
Außerdem kann man hier erkennen, dass sich auch eine alternativ angehauchte Garderobe für einen Besuch in der gehobenen Gastronomie eignet. Gerade dort kann man es sich wohl auch einfach nicht erlauben, der Garderobe oder der Frisur wegen Abstriche beim Service zu machen. Der Gast ist Kaiser, egal, was er trägt.
# 5. Gang - Dessert
Mango (salzig/süß)
Salty Fingers, Manjari-Schokoladeneis, Tofupraline
das Ganze auf Schokoanstrich um einen perfekten Würfel aus Mangoeis arrangiert, gekrönt von gebrannten Mandeln, jedenfalls glauben wir, dass es Mandeln waren. Die "Salty Fingers" waren vermutlich
Queller und schmeckten echt gut in Kombination mit den süßen Mango. Wobei man da Abstriche machen muss. Wer einmal frische Mango in einem tropischen Land gekostet hat, für den können hierzulande erhältliche Früchte einfach nur ein Abklatsch sein. Wer jetzt noch über eine Tofupraline die Stirn runzelt dem sein gesagt: Die wissen dort einfach, was sie tun. Das Ding war natürlich schokoladig, cremig und lecker!
# 5 Amuse-Gueule
Wie vergangenen Sonntag schon erwähnt hier nochmal der krönende Abschluß... fast! Im Glas Gin Tonic Schaum mit Limetteneis auf Apfelscheibchen, auf
dem kleinen Podest ein Rote Bete Bisquit mit Granatapfel-Gelee und im
Hintergrund Miso-Doghnuts mit schwarzem Sesam und irgendwas algigem.
Das dritte Dessert, Rebekka war im Himmel und ich froh, von dem Apfel keinen Allergieschock erlitten zu haben.
Natürlich konnte man nun noch Kaffee bestellen, zu dem es leider keine so coole Zuckerbox gab wie im
Babbo, dafür aber einen echt beeindruckend ausladenden Pralinenwagen mit allerlei Besonderheiten. Alle Sorten haben wir nicht testen können, aber der Platz in den Bäuchen hat noch gereicht für Vanille-Schoko-Mandeln, Erdbeere-GrünerTee-Schokolade und Pralinen mit Geschmacksrichtungen wie Rote Bete, schwarzer und fermentierter Knoblauch oder gebackene Banane.
Wie wir im vorraus wussten ist es wohl nicht möglich, auf
Drei-Sterne-Niveau nach dem saisonal-regional-Prinzip zu kochen und sich
auch noch um Artenschutz und CO2-Bilanzen zu kümmern. Mit etwas
gemischten Gefühlen saßen wir also unserer Sünde gegenüber, u.A. Rochen oder US-Rind. Neben dem Preis -der hier ungenannt bleiben soll- auch ein Grund, weshalb wir solch ein Lokal natürlich nicht alle Tage und zu jeder sich bietenden Gelegenheit besuchen würden. Vielleicht mag auch unser Geschmackssinn noch nicht ausreichend gebildet sein. Sicherlich lassen die Bilder aber in etwa erkennen, wieviel Details in jedem einzelnen Gang stecken und leider müssen wir wohl gestehen, nicht alle diese Speisen in verdientem Maße würdigen zu können.
Professionelle Restaurantkritiker sind wir eben nicht und hier stellen wir nun auch fest, dass uns dazu schlichtweg das Handwerkszeug fehlt, zu vorderst eine überdurchschnittlich feine und gut geschulte Zunge. Wir maßen uns also nicht an, die Qualität dieser Küche bis ins Letzte beurteilen zu dürfen und alles, was hier dazu gesagt wird ist, wie im Blogtitel schon gesagt, rein subjektive Wahrnehmung.
Für uns war es ein besonderer, schöner, entspannter aber kulinarisch
spannender und horizonte-erweiternder Abend. Sicherlich ist ein Besuch
im la Vie aber keine Sache, die ich jedem als "das musst Du unbedingt mal
gemacht haben" empfehlen würde. Wer weniger Bock auf kulinarische
Experimente hat und wem Essen etwas weniger wichtig ist als uns, der wird sich
am Ende nur über essenstechnischen Firlefanz und die hohe Rechnung
ärgern. Wobei man jetzt wirklich nicht sagen kann, es sei dort
überteuert, es ist -soweit wir als Laien das beurteilen können- seinen
Preis durchaus wert.
Rebekkas Urteil:
Auf manches kann ich gut verzichten, für anderes will ich aber am liebsten das exakte Rezept, um es nachzukochen. Memo: Brauche Equipment zum Vakuumgaren.
Drei Desserts sollten der neue Standard werden!!
Ein rein vegetarisches Menu wäre in so einem Laden mal cool.